Im Norden Vietnams, zwischen den Reisfeldern Sapas, findet man unter anderem die Hmong, eine von über 50 ethnischen Minderheiten in dieser Region. Völlig unerwartet haben wir hier das Sapa Hillcrest Homestay entdeckt. Auch wenn es ein wenig kalt ist, war es eine einmalige Erfahrung. Wir wurden von der Familie aufgenommen, als würden wir zu ihnen gehören, und sogar zu einer Todestagsfeier eingeladen.
Es ist ein besonderer Anlass, bei dem die hier sehr aufwendig von Hand gefertigte, traditionelle Kleidung getragen wird. Auch uns wurde diese Ehre zuteil, und wir wurden passend zum Anlass gekleidet. Der Stoff der Kleidung wird aus Hanffasern hergestellt und mit Indigo gefärbt – ein sehr aufwendiger und langer Prozess. Indigo wird aus der Pflanze Indigofera gewonnen. Sobald die Pflanzen etwa hüfthoch sind, werden sie geerntet und zusammen mit beispielsweise Reiswein fermentiert. Nach einiger Zeit werden die Blätter herausgenommen und oxidieren; dadurch entsteht das Färbemittel, mit dem der langwierige Prozess des Färbens beginnen kann.
Über mehrere Wochen hinweg wird der Stoff gefärbt, zum Trocknen aufgehängt und wieder gefärbt, bis das Blau so dunkel ist, dass es fast schwarz erscheint. Aber auch einzelne Fäden bekommen kräftigen Farben, um die Kleidung später zu besticken. Hier unterscheidet sich die Technik nicht nur von der europäischen, sondern auch von Familie zu Familie, wobei die Mutter das Familienmuster ihrer Tochter beibringt.
Die meisten Einheimischen haben blaue Hände, da das Indigo stark abfärbt. Auch unsere Hände waren blau, obwohl wir die Kleidung nur wenige Stunden trugen. Es ist schön zu sehen, dass die Traditionen am Leben gehalten werden und es ist immer wieder faszinierend, über andere Kulturen zu lernen, denn sie unterscheiden sich stark von unseren Bräuchen.
Interessant ist auch, dass die Familie, bei der wir unsere Unterkunft hatten, nicht wie ein Großteil der Einwohner hier dem christlichen Glauben folgt, sondern ihren eigenen Glauben hat. Die Religion der Hmong hat traditionell animistische Elemente und den Glauben an die Verehrung der Ahnen. Demnach war der Todestag keineswegs ein Tag der Trauer, sondern eine Feier der Freude und des Miteinanders.
Während der Feier werden in den Ritualen die Ahnen der letzten drei Generationen mit einer Art Gesang angerufen; dabei werden Maiskörner und Bohnen geworfen. Im nächsten Teil wird die Anrufung von einer Trommel begleitet, und schließlich spielen sie auf der Bambusflöte, um die Geister auf ihrem Weg zu begleiten. Auch werden Papierstreifen als Symbole des Glücks aufgehängt.
Wie auf so vielen Feiern wird natürlich auch getrunken – hier in Sapa handelt es sich dabei um Happywater (Reiswein). Um diesen herzustellen, wird Reis mit Wasser für einige Tage stehen gelassen. Durch die Gärungsprozesse entsteht so das hier beliebte Getränk. Mit diesem Getränk gehen auch einige Bräuche einher.
Zum Trinkritual der Todestagsfeier gehörten gleich drei Personen. Der erste mit dem Glas sucht sich jemanden aus, mit dem er trinken möchte. Dann lässt er sich vom dritten Teilnehmer (der die Flasche trägt) einschenken, zeigt der Person, mit der er trinken möchte, das Glas, leert es und reicht es anschließend an den Trinkpartner weiter. Dann nimmt er die Flasche entgegen, und der nächste ist an der Reihe. Es wird oft als Gelegenheit genutzt, um mit jemandem ins Gespräch zu kommen.
Aber es ist ebenso wichtig zu essen. Aus dem Grund bringt meistens jede Familie etwas Reis oder Fleisch mit, wobei diejenigen, die dem Gastgeber am nächsten stehen, etwas mehr beisteuern.
Es war für mich eine große ehre an dieser Festlichkeit teilnehmen und so viel von den Menschen hier lernen zu dürfen.

